Akute Leukämien
Fast die Hälfte des Blutes wird durch zelluläre Bestandteile eingenommen. Bei diesen Blutkörperchen werden im wesentlichen 3 Arten unterschieden:
rote Blutkörperchen ( Erythrozyten ),
weiße Blutkörperchen ( Leukozyten ) und
Blutplättchen ( Thrombozyten ).
Es ist die wichtigste Aufgabe der Erythrozyten den Sauerstoff, der in der Lunge aufgenommen wurde, zu den Körperzellen zu transportieren. Ein Mangel an roten Blutkörperchen ( Anämie ) äußert sich in Müdigkeit, Luftnot und Schwäche.
Die Leukozyten dagegen sind Hauptvermittler des Immunsystems. Sie sollen den Körper vor Infekten schützen. Dabei werden die Leukozyten in 3 Gruppen aufgeteilt: ca. 60 % machen die Granulozyten aus (unspezifische Abwehr), bis 30 % die Lymphozyten (spezifische Abwehr) und bis 6 % die Monozyten.
Die Blutplättchen (Thrombozyten) sind die kleinsten Blutkörperchen. Sie sind wichtiger Bestandteil der Blutstillung und Blutgerinnung (Hämostase). Sie sorgen insbesondere dafür, dass bei Verletzungen die Wände der Blutgefäße abgedichtet werden. Eine Verminderung der Blutplättchenzahlen kann sich durch Nasenblutungen, kleine Hautblutungen oder etwa auch verstärkte Regelblutungen äußern.
Das Knochenmark
Die Bildung neuer Blutzellen findet im Knochenmark statt. Dieses findet sich in den Knochen, bevorzugt im Bereich der Wirbelsäule und des Beckens. Blutzellen werden ständig im Körper verbraucht und umgesetzt, dieser Verlust wird über Neubildung im Knochenmark ausgeglichen. Dabei erbringt das Knochenmark eine gewaltige Leistung. So werden etwa pro Minute ca. 100 Millionen neue Leukozyten gebildet.
Leukämieentstehung
Beim Patienten mit akuter Leukämie kommt es zu einer Vermehrung von unreifen Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen. Statt zu funkionstüchtigen reifen weißen Blutkörperchen zu reifen vermehren sich diese Zellen ungehemmt. Diese unreifen Zellen werden als Blasten bezeichnet. Der Begriff Leukämie leitet sich aus dem Griechischen her und bedeutet „weißes Blut“. Dabei muß beim Patienten mit Leukämie die Leukozytenzahl im Blut nicht unbedingt erhöht sein. Neben Patienten mit sehr hohen Leukozytenzahlen (Normalbereich der Leukozytenzahlen im Blut bis ca. 10000 Zellen/µl) finden sich auch Patienten, die sogar eine Verminderung der Leukozytenzahlen aufweisen. Insbesondere im Knochenmark vermehren sich die unreifen Blasten rasch und dadurch kommt es zu einer Verminderung der Neubildung der normalen Blutzellen.
Die Ursache für die Entstehung der akuten Leukämien ist weitgehend unbekannt. Nur wenige Auslöser konnten bis heute identifiziert werden. In wenigen Fällen spielen chemische Substanzen wie Benzol, Pestizide oder industrielle Lösungsmittel eine Rolle, auch sehr hohe Dosen an Radioaktivität oder auch Medikamente, die zur Behandlung von Krebs eingesetzt wurden, können in seltenen Fällen nach Jahren eine akute Leukämie auslösen. Auch einige Blutkrankheiten ( myelodysplastisches Syndrom ) oder genetische Erkrankungen (wie z. B. das Down-Syndrom) sind mit einem erhöhten Risiko für eine akute Leukämie behaftet.
Die Leukämiezellen können einerseits aus Vorläufern der Granulozyten, andererseits aus Vorläuferzellen der lymphatischen Zellen entstehen. Im ersten Fall werden diese Leukämien als akute myeloische , im zweiten Fall als akute lymphatische Leukämien bezeichnet. Die Häufigkeit dieser beiden Leukämieformen ist nicht über die verschiedenen Altersgruppen gleich verteilt. So dominieren im Kindesalter die lymphatischen Leukämien, im Erwachsenenalter eher die myeloischen Leukämien.
Symptome bei akuter Leukämie
Patienten mit akuter Leukämie leiden anfangs an uncharakteristischen Symptomen. Zusätzlich kann die Ausprägung der einzelnen Krankheitszeichen sehr unterschiedlich sein. Zu den häufigen Symptomen gehören allgemeine Schwäche, Unwohlsein, Leistungsknick, erhöhte Infektbereitschaft, Gelenk- und Knochenschmerzen sowie eine verstärkte Blutungsneigung. Diese Symptome sind überwiegend durch den Mangel von normalen Blutzellen verursacht.
Diagnosestellung bei akuter Leukämie
Die Symptome der akuten Leukämien sind nicht spezifisch und zum Teil auf harmlose Ursachen zurückzuführen, wie etwa eine Infektion, Vitamin- oder Eisenmangel. Der Verdacht auf eine akute Leukämie wird dagegen meist nach einer Blutbilduntersuchung mit genauer Betrachtung der Untergruppen der weißen Blutkörperchen ( Differentialblutbild ) gestellt. Bereits bei dieser Untersuchung können bei vielen Patienten im Blutbild unreife Leukämiezellen (Blasten) entdeckt werden, oft auch eine Verminderung der reifen weißen Blutzellen.
Zu diesem Zeitpunkt erfolgt meist auch eine intensive körperliche Untersuchung .
Hierbei schaut der Arzt insbesondere nach Infektzeichen sowie nach Lymphknotenvergrößerungen oder Vergrößerung von Leber und Milz, die im Rahmen der akuten Leukämien miterkrankt sein können.
Der entscheidende Schritt bei der Diagnosesicherung besteht in der Durchführung einer Knochenmarkpunktion (Knochenmark nicht zu verwechseln mit Rückenmark). Diese Knochenmarkpunktion wird in der Regel am Becken durchgeführt und in örtlicher Betäubung. Dieser Eingriff ist etwas unangenehm, dauert in der Regel aber nur wenige Minuten und kann auch ambulant durchgeführt werden. Mit einer Spritze gewinnt der Arzt Knochensmaterial, das in der Folge weiter mikroskopisch und auch molekulargenetisch (Suche nach genetischen Veränderungen in den Leukämiezellen) untersucht wird.
Anhand von Spezialfärbungen gelingt es, zwei Leukämiegruppen zu unterscheiden, die akute lymphatische und die akute myeloische Leukämie . Mit Hilfe von speziellen maschinellen Untersuchungen, wie der Phänotypisierung, können bestimmte Oberflächenmerkmale auf den Leukämiezellen bestimmt werden und weitere Untergruppen abgegrenzt werden.
Mittels dieser 3 Untersuchungstechniken (Mikroskopie, Phänotypisierung und genetischen Untersuchungen) können die akuten Leukämien in Untergruppen unterteilt werden. So lassen sich bei der akuten myeloischen Leukämie im wesentlichen 7 unterschiedliche Krankheitsformen gegeneinander abgrenzen ( M1 bis M7 ). Bei den akuten lymphatischen Leukämien geschieht insbesondere eine Unterteilung in B-lymphoblastische und T-lymphoblastische Leukämien. Die Unterscheidung der verschiedenen Leukämiegruppen ist notwendig, da die einzelnen Untergruppen unterschiedliche Heilungschancen zeigen. Eine besonders große Bedeutung haben bei dieser Einstufung auch die Ergebnisse der genetischen Untersuchungen ( Zytogenetik, Molekulargenetik).